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Passiv-aggressive Menschen – die ExpertInnen der Aufschiebung

Haben Sie an Ihrer Seite eine Person, mit der sich das Zusammenwirken an sich recht stimmig zeigt, wenn es jedoch zu Zusagen kommt, werden diese Pläne in regelmäßigen Abständen nicht eingehalten? Wenn etwas nicht klappt, scheint es immer außerhalb des Verantwortungsbereiches dieser Person zu liegen. Mal kommt man zu spät zum Essen, weil es unerwartet Stau gab, mal konnte man eine Reparatur nicht durchführen, weil das passende Werkzeug nicht auffindbar war, mal hat man den Einkauf vergessen, weil noch eine Kundschaft unerwartet angerufen hat.



Anstatt von vorherein bestimmte Vereinbarungen erst gar nicht zu treffen, stimmen diese Personen zu und verzögern oder verweigern dann auf passiv-aggressive Weise die vereinbarte Absprache. Sie steigen aus der Verantwortung aus. Darüber hinaus sagen sie nie direkt, was sie stört. Anstatt zu ihren Gefühlen zu stehen und ehrlich zu sein, behaupten sie, dass es ihnen gut geht oder dass sie nicht schlecht gelaunt sind, während ihr Gesicht das Gegenteil ausdrückt. Darauf angesprochen reagieren sie schnell genervt und wollen in Ruhe gelassen werden. Sie fühlen sich überfordert, ungerecht behandelt und missverstanden. Das geht mit einer starken Neigung zu Selbstmitleid einher. Sie sind der Überzeugung, dass sie übermäßig stark in die Pflicht genommen werden und dass immer sie die aufwändigsten Arbeiten übertragen bekommen. Ihrer Ansicht nach haben es alle anderen besser als sie. Oftmals zeigen sie eine pessimistische, zögerliche Einstellung, die sie aber mit rationalen Argumenten gut begründen können. Sie neigen zu einer „gesunden Skepsis“ gegenüber Neuem und gegenüber Anforderungen. Sie unterstützen die Ansicht anderer, sobald damit Anforderungen an sie selbst verbunden sind, neigen sie jedoch zu Skepsis oder Kritik. Oftmals klagen sie über ihr eigenes Unglück und zeigen sich mürrisch und – nicht offensichtlich – streitsüchtig. Die „Schuld“ für Misserfolge wird gerne im Außen gesucht.


Mit ihrer Verweigerungshaltung und ihrer Lust an Machtspielchen bringen sie selbst die geduldigste Partnerin/den geduldigsten Partner an seine Grenzen. Während diese vor Wut explodieren, bewahren passive-aggressive Menschen die Ruhe und täuschen Empörung vor. Es wird berichtet, dass diese Menschen sogar Vergnügen dabei haben, wenn andere überreagieren und die Kontrolle verlieren. Dabei sind sich passiv-aggressive Menschen oftmals selbst nicht bewusst, wie sehr sie ihre Beziehung durch ihr Verhalten und ihr Schweigen selbst sabotieren.


Was steckt hinter passiv-aggressivem Verhalten?

Scott Wetzler hat sich über Jahre mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und vertritt die Ansicht, dass dieser Mensch nie erfahren hat, dass er seinen Ärger und seine Aggression ausdrücken kann, deshalb leugnet er diese Gefühle, wenn sie auftreten. Er denkt, dass seine Meinung nicht gilt. Die heimliche Sabotage war von Kindesbeinen an für ihn die beste Strategie, Forderungen abzuwehren. Er scheint in seiner Vergangenheit hängengeblieben zu sein. Darüber hinaus zeigt er Probleme mit Autoritäten, und jeder, der Forderungen an ihn stellt, nimmt automatisch die Position einer autoritären Person ein. Darauf reagiert er gerne mit unterschwelliger Feindschaft. Rasch wird die Partnerin/der Partner zum „Feind“. Je resoluter das Auftreten der Partnerin/des Partners, desto ohnmächtiger fühlen sich passiv-aggressive Menschen.

Gleichzeitig ist der passiv-aggressive Mensch abhängig von Nähe und Geborgenheit einer Bezugsperson. Diese starke Abhängigkeit ängstigt ihn, wodurch wieder neue Aggression entsteht, die er nur verdeckt ausleben kann. Um diese Angst vor Nähe zu bewältigen, demonstriert er Unabhängigkeit, zeigt Gleichgültigkeit gegenüber anderen oder zieht sich in entscheidenden Augenblicken, wo er etwas unternehmen müsste, zurück.


Der Weg zur Veränderung im Kontext einer psychotherapeutischen Begleitung liegt darin, dass Betroffene lernen, mehr Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln. Dazu gehört, dass in Partnerschaften nicht nur negative Aspekte eine Rolle spielen, sondern auch positive Aspekte wie bspw. gegenseitige Unterstützung. Sie sollten auch anerkennen, dass es in Partnerschaften gegenseitige Verpflichtungen gibt und sie ihre Loyalität in zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern müssen. Sie sollten Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen entwickeln, darüber hinaus sollte die Bereitschaft zu spontanem Handeln sowie die Risikobereitschaft gefördert werden. Dadurch kann Lebensfreude wieder in den Vordergrund rücken.

In diesem Lernprozess besteht die größte Herausforderung sicherlich darin, seine Gefühle anzuerkennen, und diese auch anzusprechen, um Vereinbarungen treffen zu können, die dann aus Überzeugung eingehalten werden.


Wie immer hat jedes Verhalten auch seine Kehrseite und so haben auch jene Personen, die passiv-aggressives Verhalten zeigen, ihre Vorteile: Sie sind zu passiv, um eine Partnerschaft von selbst zu beenden und durch ihre Abhängigkeit von der Bezugsperson zeigen sie sich sehr beständig in Partnerschaften.


Weiterführende Literatur:

Wetzler, Scott (2013): Warum Männer mauern. Wie Sie Ihren passiv-aggressiven Mann besser verstehen und mit ihm glücklich werden. 10. Auflage. München: Wilhelm Goldmann.

Pro Psychotherapie e.V. (2018): Passiv-aggressiv? Passiv-Aggressive Persönlichkeitsstörung: Trotz & Streitsucht. Verfügbar unter: https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/persoenlichkeitsstoerungen/passiv-aggressiv/ (Stand 21.07.2018).

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